Wer in meiner näheren Umgebung einen Anwalt sucht, muss sich zwischen zwölf
verschiedenen Anwaltskanzleien entscheiden. Diese zwölf Kanzleien beschäftigen
geschätzt über 20 Anwältinnen und Anwälte, welche sicherlich ein zum Leben gut ausreichendes
Auskommen erwirtschaften.
Wer einen Mediator oder eine Mediatorin braucht, sucht vergeblich. Es gibt
keine einzige Mediationskanzlei, welche ihre Geschäftstätigkeit hauptsächlich
auf die Mediation legt.
Zwar schmücken sich einige Anwälte in ihrer CV auch mit dem Titel Mediator.
Fragt man aber genauer nach, so erfährt man durchwegs, dass sie ja eigentlich
keine Mediationen im engeren Sinne durchführen, sondern
mediatives
Handeln in ihre anwaltliche Tätigkeit einfliessen lassen.
Fasst man den Horizont etwas weiter, erfährt man auch von arrivierten
Mediatoren aus andern Regionen, dass die Mediation im allerbesten Fall einen Anteil von
30-40% ihrer beruflichen Tätigkeit ausmacht. Und auch hier hört man oft die
Aussage, dass Mediationen im engeren Sinne doch eher selten sind und der
Hauptfokus auf mediativem Handeln liegt.
Schon länger tätige Mediatoren und Mediatorinnen berichten, dass sie bei der
Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung im Jahre 2011 eigentlich mit
dem Durchbruch der Mediation rechneten. In der ZPO wird in Artikel 213 – 219
explizit auf die Möglichkeit der Mediation hingewiesen. Sie wurde damit aus dem
Dunstkreis der obskuren Lebenshilfen hervorgehoben und ihre Relevanz und
Wirksamkeit amtlich verbrieft.
Wo sind nun also die Gründe zu suchen, dass Mediation nach wie vor ein
absolutes Nischenprodukt ist und bisher auf breiter Front eigentlich nur bei
den Ehescheidungen einigermassen Fuss fassen konnte?
Sicher ist es so, dass
amtliche Konfliktlösung in der Bevölkerung
nach wie vor bei den Anwältinnen und Anwälten und den Gerichten verortet wird.
Man traut diesen Stellen anscheinend nach wie vor zu, neben der Aufgabe Recht
zu sprechen auch für Gerechtigkeit sorgen zu können. Das Recht und
Gerechtigkeit vor allem in Zivilprozessen oft nicht viel miteinander zu tun
haben, ist den Konfliktparteien nicht bewusst.
So ist der Reflex in der Bevölkerung in einem eskalierenden Konflikt meist
Ich
nehme mir einen Anwalt und nicht
Wir suchen uns einen Mediator.
Damit ist der Konflikt bereits auf der anwaltlichen und allenfalls
gerichtlichen Ebene. Dass die Anwälte den Konflikt auch auf dieser Ebene
lassen, ist verständlich. Sie sind in der Rolle eines Dienstleisters, der ein
Mandat von einem Klienten erhalten hat. Es ist nicht ihre Aufgabe ihre Kunden
von einem alternativen Produkt zu überzeugen - einem Produkt notabene, welches
ihnen einen bedeutend tieferen Stundenansatz beschert.
Die Stellen welche eigentlich die Mediation vermehrt in den Mittelpunkt
stellen müssten, sind die Vermittlerämter und die Gerichte. Zu ihnen kommen
Fälle, die am Gericht nur rechtlich aber nicht emotional und nicht sozial
gelöst werden können. Es wäre an diesen beiden Stellen, nicht einfach auf die
Möglichkeit einer Mediation hinzuweisen, sondern die Mediation im gegebenen
Fall als die richtige Alternative
anzuordnen - im Wissen, dass die
Parteien eine Mediation verweigern und auf dem gerichtlichen Weg bestehen
können. Ebenfalls denkbar sind
unentgeltliche Mediationen analog zur unentgeltlichen Rechtspflege. Dies würde eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Gericht und Mediatoren bedingen.
Zu oft wird die Möglichkeit einer Mediation aber anscheinend auch von Vermittlern und
Richtern auf die Privatautonomie der Parteien abgeschoben, nach dem Motto: Wenn
uns jemand den Auftrag zu einer gerichtlichen Lösung eines Konfliktes gibt, so
haben wir diesem Wunsch nachzukommen. Dies obwohl die Parteien gerade bei einer
anwaltlichen/gerichtlichen Lösung diese Privatautonomie in der Sachfrage
abgeben.
Zusammenfassend werden folgende Punkte zu einer Stärkung der Mediation
führen:
· Explizite
Mediation muss nahe bei ihrer ursprünglichen Form bleiben. Mediatives Handeln
ist sinnvoll und hilfreich, ersetzt in eskalierten Situationen aber keine
explizite Mediation. (Darauf, dass mediatives Handeln welches als Mediation
verkauft wird kontraproduktiv ist, soll an anderer Stelle eingegangen werden).
· Vermittler
und Richter müssen die angeordnete Mediation zum Standard machen, wenn
sie sehen, dass ein Streitfall emotional und sozial vom Gericht nicht adäquat
gelöst werden kann. Dabei müssen Vermittler und Richter nicht auf
dementsprechende Weisungen und Gesetze warten, die schweizerische
Zivilprozessordnung gibt ihnen diese Möglichkeit bereits heute. Dies im Wissen,
dass die Parteien eine Mediation verweigern können.
· Anwälte
deklarieren sich im konkreten Fall explizit als Anwalt oder als
Mediator. Ein mediativ handelnder Anwalt ist nach wie vor ein Anwalt und kein
Mediator. Klärungsbedarf besteht hier vor allem auch für den Anwaltsverband.
· Mediation
erhält in den Medien eine grössere Aufmerksamkeit. Neben den häufigen
Rechtskolumnen braucht es dringend auch Mediationskolumnen.